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Für Eilige
3.5 Vermittlung von künstlerischen Verfahren in Unternehmen
Unter dem Stichwort «Kreativität» rückt das Potential künstlerischer Verfahren für die Personalentwicklung in den Blick von Unternehmen. Deren Interesse gilt weniger der Ausbildung einer künstlerischen Expertise der Mitarbeitenden als der Förderung von Persönlichkeitsmerkmalen, die Künstler_innen zugeschrieben oder als Wirkungen der Beschäftigung mit Kunst verstanden werden. Dazu gehören zum Beispiel eine positive Haltung zu offenen Prozessen und Suchbewegungen, eine hohe Fehlertoleranz, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel oder ein eigenständiger und erfindungsreicher Umgang mit Problemstellungen. Ein aktuelles Forschungsprojekt an der Hochschule Luzern unter dem Titel
→ art in company/Kunst und Wirtschaft widmet sich den Verbindungen von unternehmerischer und künstlerischer Tätigkeit.
Das Kindermuseum Creaviva im Zentrum Paul Klee in Bern bietet unter dem Stichwort «Kunst Unternehmen» Workshops für Kader und Beschäftigte an. Musik- und theaterpädagogische Formate sowie kreatives Schreiben zur Unterstützung von Teamprozessen oder von öffentlichen Auftritten des Unternehmens finden sich in der Angebotspalette freiberuflicher Kulturvermittler_innen.
Der Einsatz künstlerischer Verfahren als Kreativitätstechniken für die Wirtschaft wird kontrovers diskutiert. Fragwürdig erscheint in diesem Zusammenhang zum Beispiel die scheinbare Übereinstimmung der Strategien von Kunstschaffenden als hochflexible Selbstunternehmer_innen mit denen, die angesichts der wachsenden Anforderungen an Arbeitnehmende entwickelt werden sollen. In einem Schweizer Angebot wird mit folgendem
→ Statement geworben: «Die Mittel der Teambildung in modernen Unternehmen und die in der Theaterarbeit unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander.» Eigenschaften der Künste wie
→ Deutungs- und Prozessoffenheit und
→ relative Autonomie erscheinen hier indirekt in Frage gestellt – und damit ihr kritisches Potential. Es wird nicht benannt, dass künstlerische Verfahren der Unternehmenslogik diametral entgegengesetzte Prozesse und Wirkungen entfalten können (wie Pflichtverweigerung, prinzipielles Hinterfragen von Regeln, Bedürfnis nach Vereinzelung und Verlangsamung) und dass künstlerische Professionalität auch in der Verweigerung von jeglicher Wirkungsabsicht bestehen kann.
Selbst wenn es bei solchen Formaten nicht vordergründig um die Vermittlung der Künste geht (deren Werke mitunter als Veranschaulichungsmaterial und als Impuls durchaus eine Rolle spielen), so werden auch in ihnen (ähnlich wie bei Angeboten zur Vermittlung künstlerischer Techniken) implizit Wissen über Kunst beziehungsweise implizite Kunstbegriffe im Sinne eines «versteckten Lehrplans» verbreitet.