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Zeit für Vermittlung

Die vorliegende Publikation ist im Rahmen des → Programms «Kulturvermittlung» entstanden, das Pro Helvetia von 2009 bis 2012 durchführte. Ziel war es, die Praxis der Kulturvermittlung in der Schweiz zu stärken und dazu beizutragen, dass die Vermittlung auch in der Kulturförderung einen höheren Stellenwert erhält. Mit dem Programm sollten die Wissensbildung und der Wissensaustausch in der Fachwelt angeregt werden, um einen Beitrag zur Qualitätssteigerung der Vermittlungspraxis zu leisten.

Das → Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste erhielt in diesem Zusammenhang den Auftrag, das Programm wissenschaftlich zu begleiten und im Zuge dessen ein Instrument zu erarbeiten, welches Vermittelnde, Institutionen und Förderstellen bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt, Vermittlungspraxis einzuordnen und deren Qualität zu beurteilen.

Diese Publikation versteht sich als ein solches Instrument. In neun Kapiteln werden zentrale Fragestellungen im Arbeitsfeld der Kulturvermittlung im Rahmen von einführenden Kurztexten «für» Eilige behandelt. Sie enthalten Informationen zum Begriff der Kulturvermittlung in verschiedenen Sprachräumen, zur Frage der Adressierung, zu den Inhalten von Vermittlung, ihren Funktionen, ihren Akteuren, ihrer Qualität und ihrer Darstellung und Dokumentation. Gleichzeitig werfen sie auch Fragen zum Weiterdenken auf und schildern Kontroversen im Arbeitsfeld der Vermittlung. Die Kurztexte wurden von Carmen Mörsch, Leiterin des Institute for Art Education, unter redaktioneller Begleitung von Eva Richterich, Leiterin des Programms Kulturvermittlung, und Christian Gyger, Koordinator der Arbeitsgruppe Vermittlung von Pro Helvetia, verfasst. Sie spiegeln die Perspektive der wissenschaftlichen Begleitung nach intensiven Dialogprozessen mit der beauftragenden Stiftung. Der Anspruch der Texte «für Eilige» ist es, dass es auch für Neueinsteiger_innen möglich ist, sich in kurzer Zeit einen guten Überblick über die zentralen Themen, Praktiken und Fragestellungen des Arbeitsfeldes zu verschaffen.

Zu jedem der neun Kapitel findet sich daneben ein Vertiefungstext unter dem Motto «für Verweilende». Diese Texte vertiefen exemplarisch die in den Texten «für Eilige» aufgeworfenen Fragen unter der Perspektive, was eine kritische und reflexive Haltung in der Vermittlungspraxis bedeuten könnte. Sie sind als Lektüre für diejenigen gedacht, die sich intensiver mit der Thematik Kulturvermittlung auseinandersetzen möchten. Die Texte «für Verweilende» werden von Carmen Mörsch als Autorin allein verantwortet (mit Ausnahme des Textes 9.FV, der von Stephan Fürstenberg verfasst wurde).

Unter dem Motto «Perspektivwechsel» wurden zudem → Schweizer Vertreter_innen aus den verschiedenen Praxisfeldern – der Vermittlung, der Förderung und der Leitung von Kulturinstitutionen – eingeladen, sich zu den neun Themenfeldern zu äussern. Sie fügen den Perspektiven der wissenschaftlichen Begleitung ihre eigenen Positionen und Ansätze hinzu und verleihen der Publikation dadurch Vielstimmigkeit.

Zur Veranschaulichung der in den Kapiteln verhandelten Themen hat Anna Chrusciel, Co-Leiterin der wissenschaftlichen Begleitung, zwei vergleichende Fallstudien zu vier Beispielen verfasst. Die Wahl fiel dabei auf die Literaturvermittlung, da diese bislang ein in der Schweizer Vermittlungslandschaft eher unterrepräsentierter Bereich ist. An Beispielen aus Deutschland, Frankreich und England wird in den Fallstudien illustriert, wie die Ausgangsfragen der neun Kapitel dazu dienen können, ein Kulturvermittlungsprojekt differenziert zu betrachten.

Das Format der dreisprachigen Online-Publikation bietet die Möglichkeit, die Texte am Bildschirm entweder chronologisch oder in einer selbst bestimmten Auswahl und Reihenfolge zu lesen. Eine klare und einfache Gliederung am linken Rand hilft bei der Navigation durch die Texte. Dabei kann nach Bedarf und Interesse den Links zwischen den Texten und zu den Begriffserklärungen im Glossar gefolgt werden. Weitere Links führen zu einem Materialpool, in dem sich zusätzliche Dokumente zur ausführlicheren Information und Vertiefung befinden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich jedes einzelne Kapitel sowie auch die ganze Publikation als PDF herunterzuladen und, falls dies dem Lesen am Bildschirm bevorzugt wird, als Papierversion auszudrucken.

Der Titel «Zeit für Vermittlung» möchte in dieser Publikation in mehrfacher Weise verstanden werden. Zum einen verweist er auf das in den letzten Jahren in der Schweiz und international stark gewachsene Interesse an Kulturvermittlung, nicht nur seitens der Kultur- und Bildungspolitik und der Öffentlichkeit, sondern auch seitens der Künste selbst. Des Weiteren hat sich Kulturvermittlung in den letzten zwei Jahrzehnten als professionelles Feld mit unterschiedlichen Diskursen und Berufsprofilen, Forschung und nicht zuletzt auch Interessensvertretungen als feste Grösse im Kulturbereich institutionalisiert. Zeit also, den Arbeitsbereich etwas genauer zu betrachten und sich gegenüber den Fragen, die im Rahmen dieser Tätigkeit auftauchen, zu positionieren. Hierzu möchte diese Publikation Hand bieten.

Der Anspruch, angesichts der Vielfalt und Komplexität von Kulturvermittlung eine Haltung zu haben, mit welcher sich die eigenen Entscheidungen (in der Vermittlungsarbeit, der Förderung usw.) begründen lassen, verweist auf eine weitere Lesart des Titels: «Sich Zeit nehmen für Vermittlung» meint, dass für die Beschäftigung mit Vermittlung und dem damit verbundenen Wissensaufbau Zeit erforderlich ist. Auch hier möchte die Publikation Unterstützung leisten, in Form eines zeitsparenden und strukturierten Einblicks, der zum Weiterdenken anregt.

Und zu guter Letzt meint «Zeit für Vermittlung» auch eine Aufforderung: nämlich «Zeit zu geben für Vermittlung». Denn eine Weiterentwicklung des Feldes wird mit der Notwendigkeit verbunden sein, dafür die notwendigen Ressourcen zu investieren, um entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen, die auch Experimente und produktives Scheitern ermöglichen. Wir hoffen, mit dieser Publikation zahlreiche Anregungen zu bieten, die diese Investition aus unterschiedlichen Perspektiven lohnenswert erscheinen lassen.

Carmen Mörsch
Leiterin Institute for Art Education, Zürcher Hochschule der Künste